KLEINE ZEITUNG | Die Krise des Rotweins: Tradition weicht neuen Trends?
Weltweit wird immer weniger Rotwein getrunken. Der internationale Weinexperte und Winzer Lenz Maria Moser setzt trotzdem alles auf den roten Rebensaft – und das ausgerechnet in China.
Man könnte den Eindruck gewinnen: Das war’s mit dem Alkohol. Einschlägige Studien belegen: Der Alkoholkonsum geht weltweit zurück – und vor allem die Generation Z trinkt so wenig wie es eine Jugendgeneration im Laufe der Geschichte wohl noch nie getan hat. Als Gründe werden das gestiegene Gesundheitsbewusstsein genannt, strengere Kontrollen oder gesellschaftliche Trends, die dem Betrunken- oder Beschwipstsein offenbar nicht sonderlich viel abgewinnen können. Stattdessen: Eisbaden, Intervallfasten, Yogaretreats – oder was in unserer gesundheitsfanatischen Gesellschaft eben grad sonst noch so im Trend liegt. Alkohol ist also out. Und was am meisten out ist, das ist der Rotwein. Und das weltweit.
Zwischen 2004 und 2021 ist laut der Internationalen Organisation für Rebe und Wein die weltweite Rotweinproduktion um ein Viertel (!) zurückgegangen. Allein in Frankreich wird im Jahr 2021 nur noch halb so viel Rotwein wie im Jahr 2000 getrunken. Im renommierten Weinbaugebiet Bordeaux, dem prestigeträchtigsten Rotweinproduzenten der Welt, werden Winzer mittlerweile vom Staat dafür bezahlt, ganze Rebflächen zu roden, um alles außer Rebstöcke darauf anzubauen. In Österreich fehlen verlässliche Zahlen, doch viele Winzer sehen sie auch hierzulande, die Rotweinkrise. Einer davon ist Lenz Maria Moser. Die Sache ist nur die: Er setzt trotzdem auf Rotwein. Und das nicht hier, in Österreich, sondern in China. Und die Geschäfte laufen prächtig. Was ist da los?
Kleine, starke Beere
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Moser ist wohl der Letzte, dem man diesbezüglich Naivität oder Unkenntnis unterstellen könnte. Der 68-Jährige widmete sein ganzes bisheriges Berufsleben dem Wein, arbeitete nach Anfängen im bekannten Familienunternehmen seines Großvaters Lenz Moser in Rohrendorf schließlich jahrelang für die kalifornische Rotweingröße Robert Mondavi aus Kalifornien. Er kennt das internationale (Rot-)Weingeschehen so gut wie die wenigsten – und weiß offenbar, was er tut.
Seit 2015 keltert er Weine für Chinas älteste und größte Weinkellerei „Changyu“. In der Region Ningxia kultiviert Moser rund 250 Hektar, hauptsächlich mit Cabernet Sauvignon – jener Rebsorte, die in Bordeaux schonungslos gerodet wird. „Viele etablierte Rotweingebiete glaubten lange, sich auf ihren Lorbeeren ausruhen zu können. Aber Konsumenten verlangen immer wieder nach Innovationen. Das haben viele Rotweine irgendwann nicht mehr ausgestrahlt“, erklärt Moser. Das sei mit seinem „Changyu Moser XV“ anders.
Mit 20 Prozent Luftfeuchtigkeit ist das Klima im Weingarten in Ningxia nur halb so feucht wie in Bordeaux. Das bedeutet, die Beere muss sich schützen, wird viel kleiner und hat einen erstaunlich hohen Schalenanteil im Vergleich zum Saft. „Das ergibt einen intensiven, einzigartigen Rotwein, wie er nur von hier kommen kann“, schwärmt Moser. Und: „Damit werde ich als Innovator wahrgenommen. Ich lasse die Leute etwas wirklich Neues entdecken – und das im Premium-Bereich auch in China!“ Dennoch: Ohne Veränderung als Konstante werde es auch mit diesem Produkt nicht gehen.
Ist weniger Alkohol die Lösung?
„Die Klimaerwärmung ist natürlich ein Thema, vor allem, was den Alkoholgehalt betrifft“, sagt Moser. „Ich möchte ihn in den kommenden Jahren niedriger halten, also von den 15 Volumenprozent auf 13.5 kommen. Das ist zwar durch die immer höheren Temperaturen eine ziemliche Mammutaufgabe, aber es bleibt mir nichts anderes übrig, weil der Konsument von heute einfach nicht mehr so viel Alkohol im Rotwein will.“ Dass Rotwein ein für alle Mal out ist, diese Vorhersage kanzelt Moser als „Quatsch“ ab. „Ich habe in meinem Leben schon einige Zyklen erlebt, in denen mehr als einmal entweder der Weißwein oder der Rotwein totgesagt wurde“, sagt er. Und: „Rot ist nicht tot, es wird sich nur verändern müssen.“ Übrigens: Aus der roten Cabernet Sauvignon-Traube keltert Moser auch einen Weißwein. Man weiß ja nie.
Zur Person
Seit nunmehr 19 Jahren berät der Österreicher Lenz Maria Moser (68) das renommierte chinesische Weingut Chateau Changyu Moser und hat maßgeblich dazu beigetragen, die Weinlandschaft Chinas zu revolutionieren.