BILD | Warum chinesischer Weißwein eigentlich ein roter ist
Wein aus China – taugt der was? Vor etwa 20 Jahren wurde ich beim chinesischen Botschafter mit Wein aus seiner Heimat bewirtet. Der „Dynasty“ war trinkbar – aber toll war er wirklich nicht.
Dann wurde Wein in Chinas Oberschicht zum Markenzeichen für einen mondänen Lebensstil. Gefragt waren französische Bordeaux-Weine und halbtrockene deutsche Rieslinge, die besonders gut zur chinesischen Küche passen.
Erst ganz allmählich kamen in China erzeugte Weine auf den Markt, die interessant wurden. Einen gehörigen Anteil daran hat der Österreicher Lenz Maria Moser aus einer alten österreichischen Weindynastie, die in 15. Generation geführt wird.
Seit nunmehr 20 Jahren engagiert er sich mit dem Unternehmen Changyu Moser XV für die Entwicklung chinesischer Weine.
Weißwein ist eine Illusion
Moser ist eine der großen internationalen Weinpersönlichkeiten. Witzig, selbstironisch, mit Weinproduktionen in Österreich, Ungarn, Australien. Sein Credo für China: saubere, nicht manipulierte Weine machen. In Zukunft sogar in biologischem Anbau. Und: Keine platten Kopien französischer Vorbilder, wie das bislang üblich war.
Der Rotwein Changyu Moser XV Cabernet Sauvignon aus dem Jahrgang 2023 (16 Euro pro Flasche) ist ein ordentlicher Macho mit kräftigen Tanninen. Ideal zum Steak vom Grill.
Der „Weißwein“ aus China ist eine Illusion: Der 2023 Helan Mountain Range Cabernet Sauvignon Blanc de Noir (16 Euro) ist eigentlich ein Rotwein – nur eben weiß gepresst und wie ein Weißwein vergoren. Diesen Blanc de Noir sollte man frisch trinken.
Wir geben den Stoff ins große Bordeauxglas, und es entfalten sich in zarter Restsüße Aromen von Blaubeeren, Minze und etwas Eisbonbon. Der Helan Mountain Range eignet sich gut zu asiatischer Küche, z. B. auch als Begleiter zu indischem Butter Chicken.
Dieser Blanc de Noir hat noch einen „großen Bruder“: Der 2023 Changyu Moser XV Blanc de Noir (ca. 30 Euro) zeigt Aromen von Johannisbeere, Himbeere, Kokos, Thymian und ein wenig Vanille. Ab damit ins große Bordeauxglas, dazu auf dem Teller Lachs-Sashimi, gebratenen Spargel und ein Spargel-Risotto. Doch, China kann man trinken.
Weinfreaks sind in China weiblich
China-Experte Moser weiß: „Nach dem Boom ging auch in China der Weinkonsum zurück.“ Das Riesenvolk im Reich der Mitte hat einen Pro-Kopf-Weinverbrauch von 0,6 Litern im Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp 19 Liter.
Die wirklich Wein-Interessierten sind aber nicht jene chinesischen Geschäftsleute, die in Shanghai im Restaurant eine Flasche für 5000 Euro ordern und damit zeigen wollen, was sie können, sondern junge Frauen mit Karriere- und Qualitätsanspruch. Deshalb sind die Blanc-de-Noir-Weine auch auf diese Gruppe am chinesischen Heimatmarkt gemacht.
Dabei muss Mann neidlos anerkennen: Frauen haben rein biologisch ein erheblich größeres Geschmacksspektrum, als dies bei Männern überhaupt möglich ist.